Fottball’s coming home

 

  • Der Sound des Fußballs
  • Fußball und Musik in Bildern und Prints
  • Fußball und Musik auf Tonträgern
  • Fußball und Musik in ausgewählten Texten

  • Fußball und Musik: Die Ausstellung
  • Fußball und Musik: Sprüche, Sprüche, Sprüche
  • Fußball und Musik An der Alten Försterei
  • Kommerzkram
  • Impressum
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    Fußball und Musik in ausgewählten Texten

    Buch:
    Football’s Coming Home. Die großen Momente der Fußballpopgeschichte, Knaur 2010

    Ausriss:
    Am 20. Januar 1982 stand Ozzy Osbourne mit seiner Band Black Sabbath auf einer Bühne in Amerika und biss einer Fledermaus den Kopf ab. Ein Fan hatte sie auf die Bühne geworfen und der Sänger sie für eine Attrappe gehalten. Die Aktion schlug ein wie ein Ballack-Elfmeter und bescherte Ozzy dank der weltweiten Empörung sofort die Tabellenspitze unter den Schockrockern, bekleckerten sich die Kollegen Alice Cooper oder Kiss nur mit Kunstblut.

    Die Geschichte des Fußballs begann etliche hundert Jahre zuvor angeblich mit einer ähnlichen Enthauptungsshow. Laut Historikern knödelten die alten Kelten nach gewonnenen Schlachten mit den abgeschlagenen Köpfen der Gegner, bevorzugt von Häuptlingen, herum. Dass die Gruselkicker die Ahnentruppe des Fußballs sind, wird von den Chinesen zwar bestritten. Wozu jedoch an der Legende kratzen, wenn sich daraus zwei wesentliche Charakteristika des modernen Fußballs ableiten lassen? Erstens die Affinität zum Martialischen und zweitens die Erkenntnis, dass Sport und Unterhaltung zusammen gehören.

    Lange wurde die „Fußlümmelei“ im Lande der Turnvereine und Deutschtümelei als englische Unart geächtet. Wenn schon Bolzen, dann Rackern und Kämpfen. Der Unterhaltungsaspekt des Sports war für die Deutschen nicht mal ein drittklassiger Faktor. Statt Spaß am Spiel lautete die Parole: Ertüchtigung fürs Soldatsein! Nur deshalb stellten die preußischen Militärs Anfang des 20. Jahrhunderts Exerzierplätze als Bolzplätze zur Verfügung. Kein Wunder, dass teutonische Fußballfans noch bis vor wenigen Jahrzehnten als Schlachtenbummler firmierten.

    Trotzdem hatten gerade die Aktiven in der frühen deutschen Fußballära die Geselligkeit stets im Blick. Der kollektive Lobgesang aufs sportliche Hobby machte ebendas erst richtig schön. Das „Cassabuch“ des „Berliner Fußball Clubs Hertha“, dem Vorläufer von Hertha BSC, belegt den Zusammenhang von Fußball, Fröhlich sein und Singen. Einnahme- und Ausgabeposten offenbaren den hohen Stellenwert der musikalisch umrahmten Trinkabende für die Sportler anno 1893. Unter dem Posten „Für Tanz kam ein“ sind für die damalige Zeit horrende Summen aufgelistet. Ein Pianist kostete über zwei Mark und gefeiert wurde jede Woche.

    Um die Jahrhundertwende erschienen auch die ersten Fußball-Liederbücher, wie das „Ballspieler Kommers-Buch“ mit Trink- und Volksliedern für Fußballer und Cricketspieler. Dass die Qualität der Stücke selbst den Herausgebern zuweilen peinlich schien, erhellt das Vorwort des 1920 erschienenen Büchleins „Sang und Klang“: „Wir sind aus Mangel an wirklich guten Sportliedern bis an die äußerste Grenze des Erträglichen gegangen.“

    Dass minderwertiges Liedgut kein Hemmnis für ausgelassenes Feiern war, drang aus unzähligen Vereinsheimen nach außen. Der Fakt wurde drei Jahrzehnte später von den Herausgebern des DFB-Liederbuches gleichwohl verklärt. Verbandschef Peco Bauwens beschwor 1953 geradezu das alte Fußballliedlein, welches „Mannschaft und die Gegner miteinander“ verband. Sein Wunsch: „Vereins- und vor allem Jugendleiter sorgt dafür, dass das Lied wieder Einkehr in die Reihen eurer Mitglieder findet. So bannt ihr den Fanatismus und macht erst den Sport zu dem, was er sein soll: zum Freudenspender für jung und alt.“

    Ein Jahr darauf sangen selbst Deutschlands Spitzenfußballer oft und gern und laut, auch während des Weltmeisterschaftsturniers in der Schweiz. Damals gab es noch keine Walkmans oder MP3-Player, mit denen sich Spieler auf dem Weg ins Stadion in Stimmung hören konnten. Andererseits wussten die deutschen Nationalspieler während des WM-Turniers 1954 auch so, dass der Weg zum Titel kein leichter sein würde. Ihrem Coach Sepp Herberger war das ohnehin klar, weshalb er vor und während des Turniers mit harter Hand das Kommando führte. Der von den Spielern ehrfürchtig „Chef“ gerufene Bundestrainer hatte jedoch eine sentimentale Seite. Er war ein Sangesfreund und „Hoch auf dem gelben Wagen“ sein Lieblingslied. „Wir mussten es immer bei ihm singen, wenn wir zum Training gefahren sind oder wenn wir vom Spiel kamen“, erinnerte sich Spieler Horst Heckel noch Jahrzehnte später. „Manchmal hat er im Bus den Text vorgelesen und wir haben ihn dann nachgesungen.“

    Auf der Busfahrt am 4. Juli 1954 zum Finale im Berner Wankdorf-Stadion herrschte allerdings Ruhe, alle mussten sich auf das kommende Wunder konzentrieren. Dass die hoch favorisierten Ungarn trotz eines frühen 0:2 noch geschlagen wurden, lag allerdings nicht nur am Regen, der ihnen den Boden für ihr technisch filigranes Spiel entzog. Zu schaffen gemacht hatte ihnen auch, dass ihnen in der Nacht vor dem Finale mit lauter Rummelmusik der Schlaf geraubt worden war.

    Während die Deutschen in ihrer Unterkunft in Spiez bestens eingeschlafen waren, hatte vor dem Hotel der Ungarn in Solothurn bis früh um vier der Bär getobt. Grund war ein Volksfest. „Ich war vielleicht der zäheste Bauernjunge in der Mannschaft, aber selbst ich konnte nicht schlafen“, berichtete der Spieler Jenö Buzánszky. „Ich hatte das Gefühl, es ist Weltuntergang, so müde war ich.“ Als die Ungarn fünfzehn Stunden später den echten Weltuntergang erlebten, erklärten sich das die Experten mit allen möglichen Besonderheiten (Regen, Fußballgott etc.), nur die entscheidende Rolle der Musik wurde zunächst kaum bedacht.

    Das Magazin
    Torwart Schwupp vom Fußballklub (2014)

    11 Freunde
    Helmut, senk den Steuersatz (EM Spezial 2020)

    Der Weg zu World Cup-Turnieren ist gepflastert mit Unmengen an, nun ja, Musik. Dagegen gab es vor Europameisterschaften lange Zeit wenig gesanglichen Support. Aus heutiger Sicht muss man sagen, gut so.

    Ganz früher warfen sportliche Großereignisse nur ihre Schatten voraus, seit geraumer Zeit auch jede Menge Songs. Jedenfalls wenn es sich um Welt- und Europameisterschaften im Fußball handelt. Über rund zwei Dekaden des letzten Jahrhunderts existierte sogar ein musikhistorisches Phänomen: die singende Nationalmannschaft. Diese Darbietungsform von Fußballliedern erfreute sich vor etlichen World Cup-Turnieren einer gewissen Popularität.

    Als Erfinder des Mannschaftssingens auf Schallplatten gilt offiziell das englische Nationalteam. Es schwor sich 1970 mit der Aufnahme „Back Home“ auf die WM-Titelverteidigung in Mexico ein.

    Der diesbezügliche Pionierruhm würde heute allerdings der Nationalelf Nordkoreas gehören – wenn es in dem Land 1966 eine kommerzielle Musikindustrie gegeben hätte. Die nordkoreanischen Auswahlspieler hatten sich für ihren WM-Auftritt in England eigens ein Fußballlied erdacht, dass sie in einer BBC-Dokumentation über das Überraschungsteam des World Cup 1966 als Veteranen sogar noch einmal sangen. Das „Chollima-Fußballlied“ hatten sie benannt nach der kommunistischen Massenbewegung für hervorragende Leistungen zu Ehren des Vaterlandes. Deren Maxime floss direkt in die Lyrics ein: „Wir sind die glorreiche Chollima Football-Mannschaft. Wir können jeden schlagen, auch das stärkste Team. Wir werden den anderen zeigen, wer wir sind!“ Am leidvollsten bekamen das die Italiener zu spüren, die von den Nordkoreanern sensationell aus dem Turnier gekickt wurden. Natürlich auch dank des Motivationssongs. Ein derart bedeutungsvolles WM-Lied wäre anderswo sicher ein Evergreen des nationalen Fußballpops. In Nordkorea ist „Chollima“ nicht mal auf einem Tonträger erschienen. Dort gibt es halt keinen Markt für Lieder, die andere Helden verehren als die drei großen Kims.

    In Ländern, wo man für jede Verkaufsidee offen ist, entwickelten sich die singendenden Nationalmannschaften derweil zu einer skurrilen Randsparte des Musikgeschäfts. Nicht nur in der Bundesrepublik zwischen 1974 und 1994, sondern auch in anderen Fußballnationen galt: Keine WM-Vorbereitung ohne Abstecher ins Tonstudio.

    Bis heute stellt sich die Frage, ob eine heimliche Fifa-Regel existierte, die die Singübungen zum Bestandteil der WM-Qualifikation machte (um daran mitzuverdienen). Unklar ist zudem, warum es die Gesangseinlagen nur zu Welt- und nicht zu Europameisterschaften gab. Hatten sich die europäischen Auswahlteams vielleicht geweigert, alle zwei Jahre als peinliche Chorknaben in Erscheinung zu treten? Existierte bei den UEFA-Funktionären gar musikalische Kompetenz, die vor Imageschäden warnte? Oder war eine EM als Marketingplattform für die Plattenindustrie einfach nicht wichtig?

    Äußerste kreative Zurückhaltung übten sogar die Fans, ganz anders als vor WM-Turnieren. Zu den wenigen bemerkenswerten Produktionen gehört „Das Tor“, die Tom Dokoupil von der NDW-Band The Wirtschaftswunder mit Trio-Schlagzeuger Peter Behrens zur Heim-EM 1988 einspielte. Sie besticht durch trioeske Textkunst: „Ja wenn ein Tor fällt, ja wenn ein Tor fällt, dann bau'n wir es wieder auf!“

    Fragt man sich allerdings, welche EM-Beiträge in den Kanon des Fußballpops eingingen, fällt einem eigentlich nur einer ein. Einer, der allein das große Nichts praktisch ausgleicht: „Football’s Coming Home“ von den Lightning Seeds. Er gehörte nicht zu den offiziellen Turniersongs, die die Marketingverantwortlichen der UEFA 1992 einführte und die in der Regel eine fußballferne Aura haben. Vorläufiger Höhepunkt des Nichtmitsingbaren: Der Standarddiscotrack „This One’s For You“, mit dem David Guetta zur EURO 2016 die Vorgabe Feeling pur erfüllte, so wie es 2012 die deutsche Popfrau Oceana mit „Endless Summer“ tat und in diesem Sommer der holländische Star-DJ Marin Garrix im UEFA-Auftrag tun wird.

    Die Fußball-EM ist halt (wie die WM) zum Mega-Bespaßungsevent geworden, für das die Veranstalter den Partysound bei den massenkompatibelsten Musikanten buchen. Ebenso wie die Übertragungsanstalten, die das amateurige „Schlaand“-Geblubber aus der YouTube-Röhre gern mit Profihymnen für die traditionellen TV-Zuschauer ergänzen. 2016 schickte das ZDF Mark Forster mit dem bouranihaften Pathosschunkler „Wir sind groß“ auf die Tagesbilder-Strecke, derweil die ARD hoffte, mit dem Duett von Jung-DJ Felix Jaehn und Altsingmeister Herbert Grönemeyer eine Art Eier legende Wollmilchsau entdeckt zu haben. Der Song „Jeder für Jeden“ sollte wohl alle und jeden erreichen. Allerdings war der Mix aus glattem Elektropop und sperrigem Herbiegesang etwa so stadiontauglich wie ein Wildecker Herzbube als Vorsänger im Ultrablock.

    Wer nach den Ursprüngen in der Verquickung von Nationalelf, Pathos und Turniermusik sucht, landet übrigens bei der EURO 96. Nach der oft verspotteten Performance von Berties Buben mit der Discoband Village People zur WM 94 setzten die DFB-Kulturniks lieber auf gesittete Langweile. Für die Länderspiele wurde Musical-Star Anna Maria Kaufmann als Liveinterpretin der Nationalhymne gebucht und auch vorm EM-Finale gegen Tschechien auf den Rasen von Wembley geschickt. Nach dem Titelgewinn kam aber doch noch mal die Stunde der singenden Nationalspieler. Als Bundeskanzler Kohl zum Gratulieren in die Kabine kam, schallte der Chor: „Helmut, senk den Steuersatz!“ So weit bekannt, das einzige Musikstück einer DFB-Auswahl mit einer explizit politischen Forderung. Leider auch nicht auf Platte erhältlich.

    Gunnar Leue

    Melodien für Volkmarode (2013)

    Sophie Hunger über ihre Musik und Fußballliebe (2017)

    Frauentausch mit Herbie (2019)

    Die Beatles und der Fußball (2011)

     

    SpiegelOnline

    Hymnenpatzer auf dem Fußballplatz (2010)

    Achim Mentzel über Fußball und den 1. FC Union (2010)

     

    taz

    Interview mit Trevor Wilson über die Fußballmediathek fc45.de (2012)

    Beatsteaks-Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß über Fußballmusik und Union (2017)

    Interview mit Frank Zander über seine Hertha-Hymne (2020)

    Theatermeister Torsten Hradecky über Unionfantum in der Staatsoper (2016)

    Singin’ la-la-la-la-la-la-la-la (2019)